It´s the end of the world as we know it – Übernachten in einem schottischen Leuchtturm

Die schmale und hügelige Straße stresst sowohl das Auto, als auch mich. Aber an ihrem Ende wartet alles andere als Stress: Ruah Reidh Lighthouse, einer der vielen schottischen Leuchttürme, die von der Familie Stevenson entworfen worden.

Rua Reidh

Rua Reidh Lighthouse

Eine Familie von Leuchtturmbauern

Die meisten der rund 200 Leuchttürme entlang der schottischen Küste entstanden zwischen 1790 und 1940 und wurden von der Familie Stevenson gebaut, die Generation für Generation zuverlässig für einen Leuchtturm-Ingenieur nach dem anderen sorgte. Der Schriftsteller Robert Louis Stevenson brach mit der Tradition seiner Familie: Statt Leuchttürme zu bauen schrieb er „Die Schatzinsel“ und „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ (affiliate links). Das Tolle an den Stevenson-Leuchttürmen: Man erkennt sie sofort als einen Stevenson. Das Problem: Man weiß nicht, ob man diesen schon mal gesehen hat oder eben einen der anderen Stevensons.

Dunnet Head Lighthouse

Auch ein Stevenson – Dunnet Head Lighthouse

Für die nächsten drei Tage wohne ich in einem Leuchtturm – dem Rua Reidh Lighthouse. Schon im Vorfeld habe ich nach meiner Buchung umfangreiche Informationen bekommen: Kein Internet, kein Wlan, kein Radio, kein Handysignal. Aus dem Hahn kommt braunes Wasser, da es sich um Wasser handelt, was durch die Torfschichten gefiltert am Haus ankommt. Im Frühjahr hat es die Farbe von dunklerem Weißwein, im Sommer, wenn es nicht mehr so viel regnet, wird es dunkler.

Lizenz für braunes Wasser

Abends kocht Tracy, die das Rua Reidh Lighthouse B&B mit ihrem Mann Roger und dem Curly-Coated- Retriever Stompie betreibt, für die Gäste, die das wollen. Ich will das, die Straße noch mal zu fahren habe ich nämlich keine Lust. Tracy kocht das, was sie mag (am ersten Abend Lasagne) und es essen alle zusammen. Auf Wunsch kann man eine Meeresfrüchte-Platte vorbestellen mit Getier aus der Umgebung. Der nächste Supermarkt ist 80 Meilen entfernt, der nächste Fischer deutlich näher. Sowohl die Meeresfrüchte-Platte als auch das Essen am ersten Tag waren sehr gut, so dass man sich den Weg zurück in den Ort sparen kann.

Wer Wein oder Bier möchte, kann sich den mitbringen, eine Schanklizenz hat das B&B nicht. Für das braune Wasser braucht es keine Schanklizenz, nur ein wenig Überwindung, es zu probieren. Tatsächlich ist es richtig gut, im Gegensatz zu dem Wasser, welches man sonst in Schottland auf den Tisch bekommt, ohne Chlor und wegen der Mineralien vermutlich auch noch sehr gesund.

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Abenteuerwandern

Was tut man am Ende der Welt? Man wandert und erkundet. Gelockt von einem „anderthalb Stunden entfernten Sandstrand“ werden die Wanderschuhe geschnürt und der Weg entlang der Klippen anhand von Schafsspuren gesucht.

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Deine Spuren im Moor …

Anscheinend lösen sich so Schafe aber ab und an in Luft auf, zumindest enden die Spuren plötzlich. Nur zweieinhalb Stunden später ist er da: Ein riesiger, wunderschöner Strand, an dem sich nur ein paar Schafe tummeln. Was daran liegen könnte, dass er ca. 30 Meter unten liegt. Es gilt, eine Steilwand herunter zu kraxeln und unten festzustellen, dass man tatsächlich keinen gut ausgebauten Wanderweg übersehen hat und irgendwie auch wieder nach oben muss.

Strand

Vollkommen menschenleerer Sandstrand

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Der Mann, ein paar Schafe und ich …

Der Strand, an dem die Schafe entspannen

Erst einmal genieße ich den Strand, das tolle Wetter und die Ruhe und hoffe insgeheim, dass ein kleines Boot anlandet und mich zurück bringt. Tut es aber nicht. Mit großer Unterstützung und viel Schreierei (und zugegebenermaßen die meiste Zeit auf allen vieren) schaffe ich es wieder nach oben und fühle mich kurzfristig, als ob ich den Mount Everst … (die Schafe gucken mich an, als ob ich gestört wäre).

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Zurück will ich nicht mehr. Nicht mehr diesen Klippenweg lang. Also weiter auf dem Rundweg, der landeinwärts führt und demzufolge nicht an Klippen entlang.

Aber durch Morast. Und dann durch Moor einen Berg hinauf (keine Trampelpfade, keine Schafswege, einfach nur Moor, in dem man oft bis zu den Knöcheln fest hängt). Und oben auf dem Berg: Tiefmoor. Schlammpackung bis zu den Knien. Nie war es schöner, eine feste Straße zu betreten und letztendlich den Leuchtturm zu sehen.

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Sieht harmlos aus, ist aber tatsächlich Moor.

Ein paar Wochen nach unserem Aufenthalt stürzt eine Besucherin an den Klippen ab und muss mit einem Rettungshubschrauber und einem Kletterer geborgen werden. Nicht nur die Klippen sind leicht zu unterschätzen, auch die Strecken, die durch das Moor gehen. Insbesondere im Herbst, wo es sehr früh dunkel wird, ist hier die Gefahr durch Verlaufen nicht zu unterschätzen.

Time out

Wer einfach mal Ruhe und Natur genießen möchte, der ist im Rua Reidh Lighthouse richtig. Mit der Art der Gastgeber muss man sicherlich klarkommen, ich habe aber die Gespräche mit Roger, Tracy und den anderen Gästen nach dem Abendessen sehr genossen.

Rua Reidh Lighthouse, Melvaig, Gairloch, Wester Ross, IV21 2EA

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