Als ich die Tür öffne, steht da ein ganzer Haufen Männer kurz vor oder deutlich nach der Renteneintrittsgrenze. Es dauert etwas, bis ich bei dem Tumult dazu komme, nach dem Schwimmbad zu fragen. Da möchte ich nämlich hin, Aqua-Fitness, erste Stunde. Eine Mischung aus Neujahrsvorsatz und dem Wunsch, zum Ende der Elternzeit wieder in Büro-taugliche Bekleidung zu passen.
Aqua-Fitness mit Herz
Die Herrengruppe will auch zum Aqua-Fitness. Ich werde den vorhandenen Damen angeschlossen und mit dem Strom in eine Umkleide gespült. Vor Ort erhalte ich Informationen: Der Aqua-Fitness-Kurs, zu dem ich mich angemeldet habe, ist eine ehemalige Herz-Reha-Gruppe. Vor neun Jahren hat man sich zusammen gefunden und angefangen, im Wasser zu fitten. Im Nachgang zugelassen wurde vor vier Jahren Vera. Und nun ich. Dass Biggi es ziemlich dreist findet, wie ich mich da so in die Gruppe geschlichen habe, zeigt sie deutlich. Die anderen drei Damen finden meine Anwesenheit aber wohl ganz in Ordnung, ich stehe kurz vor der Aufnahme in die interne WhatsApp-Gruppe „Mit Herz“.
Schwimmbecken mit gefrorenem Boden
Aber erstmal muss ich die Wassertaufe bestehen. Wir gleiten Walgleich ins Wasser und werden Schock-gefrostet. Erster Unmut macht sich breit. Im alten Becken wäre es aber wärmer gewesen. Die Truppe wurde nämlich Schwimmbadlos, nachdem ihre alte Heimat, ein Krankenhausschwimmbecken, in ein (ironisch, aber wahr) Herzzentrum umgebaut wurde.
Das Wasser ist so kalt, dass nach kurzer Zeit die ganze Gruppe auch ohne Anwesenheit des Trainers läuft. Trainer Jürgen muss nämlich noch was klären. Und seine Badeschlappen holen, die hat er nämlich im Auto vergessen. „Dat wird nachgespielt“, verkündet Detlef. Für Detlef sollte das auch kein Problem sein, im Laufe der folgenden Stunde quatscht er nämlich deutlich mehr mit Biggi, als er Arme und Beine einsetzt. Christian friert so, dass er abwechselnd von Tauchsiedern, Wasserkochen und Schnapsflaschen erzählt, die er nächste Woche mitbringen möchte.
Als das Tempo angezogen wird, verstehen wir, warum die Truppe vor uns mit Socken aus dem Becken kam. Vielleicht auch, weil es so kühl ist, hauptsächlich aber, weil man ständig rutscht. „Der Boden ist gefroren“, scherzt Jürgen. Der hat gut lachen, der steht in T-Shirt und Hose am Beckenrand.
Die Geräte-Situation sorgt für erneuten Unmut. Nur Poolnudeln. Und auch nur 14 Stück. Wenn da mal 15 Leute kämen … Gut, dass nur zwölf für den Kurs angemeldet sind. Aber die Poolnudeln wären gute Poolnudeln. Bestimmt von Barilla. „De Cecco“, wirft Detlef ein.
Pulsen ohne Puls
Einer der drei Hans möchte wissen, warum Jürgen mich noch nicht vorgestellt hat. Ob er mich vielleicht nicht gesehen hätte. Jürgen bestätigt, dass er meine Anwesenheit wahrgenommen hat. Ich erkläre Hans, dass Jürgen vielleicht abwartet, ob ich nächste Woche wieder komme. Hans informiert Jürgen, dass, wenn ich nächste Woche nicht wiederkommen würde, niemand wüsste, wer ich bin. Und dass das dann Schuld des Trainers wäre, wenn ich nicht wiederkomme.
Als die Stunde rum ist, pulsen wir. Also für die Nicht-Herz-Reha-Leser: Wir messen den Puls. Ich habe keinen. Zumindest finde ich keinen. „Lernste hier schon“, beruhigt mich Detlef. Schliesslich messe ich jetzt jede Woche vor und nach der Stunde. Denn natürlich komme ich wieder. Sogar Biggi hat sich damit abgefunden. Sie hat mir ihre muckelig warm eingestellte Dusche angelassen …
Also in meiner Kur damals, hatte man mir auch Aquajogging vorheschlagen. In Anbetracht des hier beschriebenen Erlebnisfaktors bereue ich es, dieses Angebot damals ausgeschlagen zu haben.