Für die Führungen über Zollverein muss man sich anmelden. Sonst wäre ich mich vermutlich eher auf dem Sofa verbuddelt, als bei dem Wetter vor die Tür zu gehen. Es regnet, stürmt und sieht auch nicht so aus, als ob es gemütlicher werden würde.
Gemeinsam mit 14 anderen (größtenteils) Mannen mache ich mich auf die Hardcore-Tour. Die Kombiführung, die vier Stunden über Zeche und Kokerei Zollverein führt. Begleitet werden die Nordlichter aus Bremen(denn aus denen besteht der Rest der Truppe) und ich von einem launigen Historiker. Erst einmal fahren wir aufs Dach der Kohlenwäsche. Wobei „fahren“ ziemlich irreführend ist, mit „fahren“ bezeichnet der Bergmann nämlich jegliche Fortbewegung auf der Zeche. Wir fahren also mit Hilfe unserer Beine und diverser Treppen aufs Dach der Kohlenwäsche. Wobei auch Kohlenwäsche irreführend ist. Die wurde ja nicht weiß gemacht, sondern getrennt.
Auf dem Dach werden wir nicht nur mit der Umgebung vertraut gemacht, sondern auch mit verschiedenen Fachbegriffen. „Fahren“ kennen wir ja jetzt schon. Außerdem lernen wir, dass das, was wir so als Förderturm bezeichnen, tatsächlich ein Fördergerüst ist. Der Turm dagegen sieht wie ein richtiger Turm aus.
Auf Zollverein fahren übrigens immer noch Kumpel ein, auch wenn die Zeche seit 1986 nicht mehr in Betrieb ist. Sie betreiben „Wasserhaltung“ und kümmern sich darum, dass die Pumpen laufen, die das Wasser aus den noch aktiven Stollen – zum Beispiel in Bottrop – heraushalten.
Durch die Kohlenwäsche folgen wir der Spur der Kohle und stoßen dabei auf ein Brautpaar und einen Musik-Video-Dreh. Irgendwann kamen wir dann dort an, wo bis 1986 rund 3 Mio. Tonnen Kohle jährlich aus der Erde ankamen. Damit die zügig entladen werden konnten, wurden die Züge nach der Ankunft durch die Decke gefahren und fuhren an der hängend zurück – dabei entlud sich die Kohle. Die Männer bei der Kohlenentladung waren angeblich die besten Ehemänner – durch den ständigen Krach waren sie innerhalb kürzester Zeit taub.
Von der Kohle geht es zum Koks, die Kokerei Zollverein ist direkt nebenan. Auf dem Weg dort hin kommt man an Schacht 1/2/8, die 1847 der Beginn der Zeche Zollverein waren. Leider sind sie nicht so gut „in Schuss“ wie das „Weltkulturerbe Zollverein“.
Die Kokerei entstand bis 1961, stillgelegt wurde sie schon 1993. 1974 wurde sie auf 304 Koksöfen erweitert. In den 32 Jahren „Aktivität“ war vor allem eines wichtig: Die Öfen auf Temperatur zu halten. Die Steine, aus denen die Öfen gebaut wurden, gehen nämlich kaputt, wenn sie abkühlen – und dann muss der ganze Ofen abgerissen werden.
Deshalb gab es nur die Möglichkeit, viel Koks zu produzieren (wofür immer ein Kohlevorrat auf einem Platz neben der Kokerei vorgehalten wurde) oder die Öfen mit Gas zu heizen, was selbstverständlich hohe Kosten verursachte.
Bei unserer Tour waren wir auch oben auf den Öfen, wo uns erklärt wurde, wie die gemischte Kohle (um immer das selbe Koksergebnis zu erreichen) mit Hilfe des Füllwagens in die Öfen kommt und warum an den Öfen zwei verschiedene Nummern stehen. Außerdem erfahren wir bei unserem Gang durch die Öfen, warum Koks nach dem Ausdrücken gelöscht werden muss – weil er nämlich sonst wegen der Reaktion mit der Luft bzw. dem Sauerstoff einfach verbrennen würde.
Heute arbeiten nicht mehr 1.000 Menschen in der Kokerei, es ist aber auch wieder einiges los. Im Sommer lockt das Werksschwimmbad, im Winter die Eisbahn und sonst das Sonnenrad und der Denkmalpfad. Warum die Kokerei einen Wassergraben hat, erfahren wir auch an diesem Nachmittag (ob das so stimmt, weiss ich nicht…): Bei einer Vorführung wurden Dias durcheinender gebracht, so dass die Kokerei auf dem Kopf gezeigt wurde. Weil das so nett aussah, baute man einen Wassergraben.
Eine interessante Tour für alle, die im Ruhrgebiet wohnen und wissen wollen, wie das so mit der Kohle ist/war und für alle, die pottfremdem Besuch ein Stück Ruhrgebiet zeigen wollen. Wem die vier Stunden zu lang sind, der kann die Führung auch in zwei Schritten machen: Einmal Zeche Zollverein (Über Kohle und Kumpel) und einmal Kokerei (Durch Koksofen und Meistergang).
Von Kohle und Koks – Der Weg der Kohle auf Schacht XII und der Kokerei von der Förderung bis zur Verkokung
Samstags, sonntags und an Feiertagen, 13.30 Uhr / Dauer: 4 Stunden [mit Kaffeepause]
15 Euro (inkl. Freigetränk)
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