Warum Luise Hensel gerade während einer ihrer jährlichen Aufenthalte in der Bottroper Knippenburg zu dem Gedicht „Müde bin ich, geh zur Ruh´“ inspiriert wurde, darüber lässt sich nur spekulieren. Tatsächlich hat Bottrop einiges zu bieten (und ich spreche hier nicht von Michael Wendlers „Tanzlokal Nina“). Eine kleine Auswahl:
Das Tetraeder
Hoch über Bottrop auf der Halde Beckstraße thront das Tetraeder (das Dreieck, das Tetraeder. Is richtig so.). Das „Haldenereignis Emscherblick“ wurde 1995 als Landmarke errichtet und kann (wenn man nicht gerade Höhenangst hat) bezwungen werden. Der Bottroper an sich spricht auch gerne mal von „der Teträder“. In Sichtweite steht auch die Indoorskihalle, befindet sich aber im Sinken.
Auf Zeche
Wo Halden sind, da gibt es auch Zechen. Rund 4.000 Tonnen pro Jahr werden in Bottrop noch „auf Prosper“ gefördert, womit das Bergwerk Prosper-Haniel mit den Schächten Prosper 9, Prosper 10, Franz Haniel 1, Franz Haniel 2 und dem Schacht Hünxe der Zeche Lohberg gemeint ist. In der Kokerei Prosper werden jährlich rund 2.000 Tonnen Koks produziert.
Stillgelegte Zechen werden in Bottrop sinnvoll weitergenutzt: Der ehemalige Förderturm von Prosper II, der Malakoffturm, wird heute für Veranstaltungen genutzt; auf dem ehemaligen Zechengelände Arenberg-Fortsetzung wurde Gewerbe angesiedelt.
Immer schön außerhalb
In Bottrop wird konsequent außerhalb gebaut. Das begann schon 1916 mit dem Rathaus, welches neben der ursprünglichen Innenstadt gebaut wurde. Heute liegt es mittendrin.
Ob der Hauptbahnhof und das Südring-Center jemals in der Innenstadt liegen werden, ist fraglich. Mein Bruder war auf jeden Fall als Kind sehr erstaunt, dass andere Städte ihre Bahnhöfe mitten in der Stadt haben.
Cyriakus-Kirche
Vor dem Bottroper Rathaus steht die ehemalige Glocke der Cyriakus-Kirche, 1425 vom „Wandergiesser“ Claus Haller gegossen.
Die Cyriakuskirche selber befindet sich mitten in der Fußgängerzone. 1862 wurde der jetzige Bau der mittlerweile denkmalgeschützten Kirche fertig gestellt, in der ich auch getauft wurde.
Auf dem Weg zur Kirche kommt man garantiert an Knubbel vorbei.
„Knubbel“ ist Wilhelm Postberg, der 1911 nach Bottrop kam, die „Bottroper Volkszeitung“ kaufte und eine Druckerei sowie eine Buch- und Schreibwarenhandlung gründete. Die Druckerei gibt es heute noch, den „Postberg-Laden“, in dem ich als Kind immer Bücher gekauft habe, hat leider eine Kette übernommen.
Rosa Apotheke
Wenn man dann schon mal an der Cyriakuskirche ist, dann sollte man sich einmal umdrehen und die „Alte Apotheke“ bemerken. Das rosa Gebäude wurde 1896 für den Apotheker Jacob Geyr gebaut und ist einer der wenigen erhaltenen Altbauten in Bottrop.
Glockenspiel gibt Zeit an
Sechsmal am Tag erklingt das Glockenspiel, das Juwelier Triffterer 1963 für seine Kunden an der Fassade seines Hauses (gegenüber von Karstadt) angebracht hat. Vor zwei Jahren sollte es mal abgestellt werden, weil eine Anwohnerin sich beschwert hatte, dagegen haben aber viele Menschen protestiert. Ich habe als Kleinkind gegenüber des Glockenspiels gewohnt und es hat anscheinend nicht geschadet.
Altes Jungengymnasium
In der Nähe des Rathauses ist das Kulturzentrum August Everding. 1907/08 wurde es als Jungengymnasium errichtet, heute sind dort Stadtbücherei, die Volkshochschule, eine Musikschule, das Stadtarchiv, die Kulturwerkstatt, das Kulturamt, das Kommunale Kino und die Fernuniversität beheimatet. Die Kulturwerkstatt ist übrigens so etwas wie eine VHS für Kinder, ich habe dort Fotokurse besucht und Kulissen für ein Musical gemalt.
Amtsgericht und Jugendknast
Amtsgericht und Jugendstrafanstalt sind auch in der Bottroper Innenstadt zu finden, wobei ersteres schön aussieht und letzteres so versteckt ist, dass selbst einige Bottroper nichts vom „Knast“ wissen.
Woanders
Nicht nur die Innenstadt hat Schmuckstückchen, auch in anderen Bezirken gibt es einiges zu entdecken. Ich mag besonders die Gartenstadt Welheim, die 1914 bis 1923 als Bergarbeitersiedlung errichtet wurde.
Zu Besuch in Bottrop
Auch, wenn der Spruch „Kommse nach Bottrop kriechse auffn Kopp dropp“ immer wieder gerne zitiert wird, hat Bottrop sich auf Gäste eingerichtet, sogar auf solche, die länger bleiben möchten. Im Bottroper Parkhotel lässt es sich nett übernachten:
Die Röhren befinden sich im Bernepark, der ehemaligen Kläranlage, die jetzt von Blumen und Fischen bevölkert ist:
Wer nicht so gerne in die Röhre möchte, kann natürlich auch in einem Hotel übernachten oder in der „chillten“-Jugendherberge. Dort soll man auch sehr gut frühstücken können.
Bottrop hat nämlich noch viel mehr interessante Ecken. Zum Beispiel das Museum Quadrat, den Stadtpark, an dem das Marienhospital liegt, in dem ich auch geboren wurde. (Das erste Marienhospital liegt übrigens neben dem Finanzamt und der verbliebene Teil ist heute eine Kirche.) Bottrop-Kirchhellen mit Heidhofsee, Schloss Beck, dem Flugplatz Schwarze Heide, dem Motorradtreff Grafenmühle, Bauernhöfen, Feldern, Wiesen und meinetwegen auch Movie World. Den Köllnischen Wald. Vietors Mühle, deren Müller durch die Stellung der Flügel dem Rathaus Zeichen schickte und deshalb wegen Spionage hingerichtet wurde. Und irgendwann (vielleicht auch erst nach ein paar Jahren im Exil) stellt man fest:
Und wenn einem gar nicht mehr einfällt, ist man von Bottrop aus schnell in Essen, Gelsenkirchen und allen anderen Ruhrgebietsstädten.
Herzlichen Dank an meine Mutter, die für diesen Post mit mir auf Fotosafari war und (trotz rheinländischem Ursprung) so viel über Bottrop weiss, dass sie Stadtführungen geben könnte.
Dieser Blogpost entstand auf Anregung von Anne Schüßler, die es gerne Herrn Buddenbohm ähnlich tun wollte, der über St. Georg schrieb und andere Menschen einlud, ihr Hamburger Stadtteil vorzustellen. Sie sammelt aber das Ruhrgebiet.
Schade, dass Bottrop schon vergeben ist… Na gut, dann schreib ich eben über mein Stückchen davon. Schöne Fotos, btw!
Gruß aus Bottrop,
lily
Das gefällt mir… Könnte man da für Duisburg oderStadtteile davon noch einsteigen?
Nadine, immer her damit – Anne Schüßler sammelt das ganze Ruhrgebiet!
http://blogorrhoe.blogspot.de/2012/11/der-rest-vom-ruhrgebiet-bottrop.html
Feddisch!
@Lily: Toller Post! Bottrop gibt definitiv mehr als nur meinen Post her 🙂
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„Der Teträder“ 😀 In der Tat. Und Monte Schlacko nicht zu vergessen 🙂
So schön kann unser Bottrop sein 🙂 Schöner Beitrag!
Gruß, Maik
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Irgendwie ist da einiges kaputt; ein Großteil der Fotos ist zumindest auf meinem IPad voll wech!
Und der Link auf Frau Schüßlers Seite führt auch ins Nichts..
Das kann bei einem Umzug auf einen neuen Server schon mal passieren – ich arbeite die Artikel nach und nach ab. Aber der Link zu Anne Schüßler funktioniert bei mir ohne Probleme.