Das Restaurant-Karussel dreht sich nach urlaubsbedingter Pause für uns weiter – La Grappa steht auf dem Programm.
„Unser“ Tisch gefällt mir sofort, wir können nicht nur das sehr gut gefüllte Restaurant beide überblicken, sondern haben auch die Küche im Blick. Die uns allerdings auch, Maitre de Cuisine Hatem Salim Srouer und seine Kollegen werfen des öfteren einen prüfenden Blick auf die von ihnen bekochten Gäste. Taoufik Smat, Maitre de Restaurant, empfiehlt uns den Aperitif des Hauses – Prosecco mit Blutorange und einem Schuß Limoncello – und ein spezielles Angebot: Für 10 Euro mehr müssen wir uns nicht zwischen Fisch- und Fleischgang entscheiden, sondern bekommen beides und einen Wein mehr. Wir gehen auf beide Angebote ein und lassen erst einmal das La Grappa auf uns wirken.
Ganz schön viel gibt es an den Wänden zu sehen, Deckel von Weinkisten, Keramikteller, Auszeichnung. Dazu kommen noch die diversen Flaschen mit Spirituosen in unserem Rücken. Und erstaunlich viele Gäste passen in den relativ überschaubaren Laden. Wie all diese Köche in die noch überschaubarere Küche passen, ist mir ein Rätsel. „Gemütlich“ trifft es wohl, ich fühle mich nach kurzer Zeit sehr wohl.
Die Küche des La Grappa guckt nicht nur, sondern grüsst auch
Schon der Gruß aus der Küche lässt erahnen, dass Gutes auf uns zukommt. Scampi in Aioli auf Meeresalgen. Ein toller Einstieg, den ich versuchen werde, mal zuhause zu kopieren. (Das Foto ist leider unscharf. Man kann aber auch nicht von einem Restaurant gemütliche Atmosphäre und Fotolicht verlangen).
Sie haben mir Röllchen gemacht, die ich nicht ablehnen konnte
Sehr schmackhafte Mini-Rouladen vom Charolais-Rind mit Kräutersalat (und bei denen ein Stück fehlt, weil der Mann sich nicht zurückhalten konnte):
Bitte einmal den Topf!
Als nächstes kommt (wegen unserer Erweiterung) Seeteufelmedaillon auf Hummerrisotto. Der Fisch ist sehr gut, aber beim Hummerrisotto sind wir uns einig: Her mit dem Topf, wir verzichten dafür auf alle weiteren Gänge. Ist. Das. Lecker.
Kartoffel-Luft
Die gefüllten Gnocchi mit Steinpilzen und Mozarella in Trüffelcreme habe ich schon auf der Essener Gourmetmeile probiert und mich deshalb sehr darauf gefreut. Dass sie aber so gut sind… Ich mache mir schon immer die Arbeit, Gnocchi selber zu machen, weil mir das fertige Zeug zu fest ist, aber gegen diese Gnocchi sind meine Backsteine. Kann man Luft füllen?
Ich habe im La Grappa von silbernen Löffeln gegessen
Auf einem silbernen Habby Spoon (klingt weitaus besser als „Partylöffel“) wird uns eine Himbeere serviert, die ein kleines Bad in 40 Jahre altem Aceto Balsamico nimmt. Herrlich. Als die Dame vom Nebentisch ihre Himbeere verschmäht, halten mich nur meine guten Manieren davon ab, ihr den Löffel zu mopsen. Zum Glück „erbarmt“ sich ihr Tischherr.
Schmelzendes Kalb
Eigentlich geht jetzt schon fast nichts mehr in meinen Magen. Es ist nämlich nicht so, dass die Portionen im La Grappa klein sind. Die sind ordentlich. Aber das Kalbsfilet, gefüllt mit Parmaschinken und Spinat, auf Gorgonzolasoße findet noch ein Eckchen. Auch der Mann ist begeistert und stellt mir immer wieder eine Frage: „Wie haben die das Fleisch so weich bekommen?“ Das Kalb schmilzt auf der Zunge.
Ob es schmeckt?
Ich bin kurz davor, beim Weg zur Toilette meinen Kopf in die Küche zu stecken, um meine Begeisterung kund zu tun. Wir finden zum Glück einen eleganteren Weg: Als einer der Köche an der Theke steht, reckt der Mann den Daumen in die Höhe. Ich steuere ein verzücktes Grinsen bei. Der Abend hat aber noch mehr zu bieten, als sehr gutes Essen: Wir fühlen uns wunderbar unterhalten. So viel gelacht in einem Restaurant habe ich wahrscheinlich noch nie (zumindest nicht, wenn ich nicht in einer Gruppe unterwegs war) und dazu haben neben dem Wein vor allem die Atmosphäre sowie der „Gastgeber“ beigetragen. An dieser Stelle noch mal einen virtuellen „Daumen hoch“ für unseren Kellner. Aufmerksam und dabei so locker. Das kann nicht nur daran gelegen haben, dass der Mann die italienischen Farben auf dem Hemd trug.
Der Mann streikt
Zum Dessert kommt ein Zitronensorbet mit marinierten Waldbeeren. Schmeckt natürlich sehr gut. Alles andere wäre auch eine Überraschung. Der Mann streikt trotzdem nach der Hälfte, er kann nicht mehr. Er möchte nicht einmal seinen sonst üblichen doppelten Espresso. Er droht damit, sofort zu platzen. Ich vertilge heldenhaft den Rest seines Sorbet, dafür ignoriere ich die ebenfalls bereitgestellten Pralinen. Na gut, ein Tartufo probiere ich. Lecker.
Weine aus der Heimat des Patron
Die Weine zum Menü – die im übrigen äußerst großzügig eingeschenkt wurden – kamen bis auf eine einzige Ausnahme aus Marken, der Heimatregion von Patron Rino Frattesi. Die Weinkarte des La Grappa wurde zur weltbesten Weinkarte gekürt und erhält neben Schätzchen, die unter anderem bei Sotheby´s in London lagern, auch Erschwinglicheres. Für zu Hause kann man sich auch versorgen: Alle von uns getrunkenen Weine hätten wir zum Preis von 100 Euro für zwölf Flaschen mitnehmen können (hätten dann aber Transportprobleme bekommen, weil wir zu Fuß da waren).
Alle Gäste sind Könige
Ob wir das Gefühl hatten, als Karussel-Gäste anders behandelt zu werden, als andere Gäste, möchte Rino Frattesi bei der Verabschiedung wissen. Er will nämlich, dass alle Gäste wie Könige behandelt werden und freut sich, dass durch das Karussel neue Gäste in sein Restaurant kommen. Ich glaube nicht, dass Frattesi Papst Johannes Paul II., Pavarotti oder Berlusconi (die waren nämlich alle schon da, wie ich hinterher gelesen habe) anders behandelt hat als mich.
Disclaimer: Ich habe das Restaurant mit zwei Flaschen Wein verlassen, die ich nicht bezahlt habe. Eine davon habe ich bereits geschenkt bekommen, bevor ich mich als Bloggerin outete. Und meine Meinung stand sowieso schon längst fest.