Das Folkwang-Museum ist jedem Essener ein Begriff, dass es in der Stadt aber auch ein Markt- und Schaustellermuseum gibt, ist nicht ganz so bekannt.
Schon im ersten Raum begegnet mir Erich Knocke auf einem großen Bild – weitere Bilder werden während des Rundgangs folgen. Kein Wunder, schliesslich ist das Markt- und Schaustellermuseum das Lebenswerk des 2011 verstorbenen Schaustellers.
Ganz in der Tradition von Erich Knocke wird unsere Besuchergruppe von Brigitte Aust und Andrea Stadler, unterstützt von Herrn Stadler, durch die Ausstellung geführt. Diese Ausstellung hat es in sich, vermutlich könnte man Tage in den Räumen an der Hachestraße verbringen und würde trotzdem noch Neues entdecken.
Frau Aust und das Ehepaar Stadler zeigen nicht nur den Weg durch die Exponate, sondern bringen auch die Historie der Schausteller näher. Bereits zu Zeiten der Essener Äbtissin Theophanu (997 – 1058) gab es in Essen einen „Jahrmarkt“, auf dem neben dem Austausch von Waren auch das Vergnügen gesucht wurde. Bis zum Essener Prater, der 1927 eröffnet wurde, war es noch ein weiter Weg.
Einen weiten Weg legten viele Schausteller zurück, ob mit Musikinstrumenten wie der Drehorgel und dem Rückenklavier oder als Bänkelsänger. Bis zum ersten Weltkrieg informierten diese „lebenden Bild-Zeitungen“ mit ihren Moritaten über Mord, Totschlag und andere Vorfälle und verdienten ihr Geld durch den Verkauf von kleinen Textheftchen.
Berthold Brecht setzte ihnen mit „Mackie Messer“ ein Denkmal. Unterstützt wurde das Lied von einer Drehorgel aus der Berliner Manufaktur Bacigalupo – auch, wenn deren Walze bei der Uraufführung versagte.
Oft wurde die Schaustellerei aus einer Notsituation heraus betrieben, beispielsweise von Kriegsversehrten oder Arbeitslosen. Daran erinnert unter anderem eine Baurednerpuppe im Museum, die ein Arbeitsloser aus Pappmache gebastelt hat und mit ihr seinen Lebensunterhalt bestritt. Seine Tochter hat die Puppe dem Museum geschenkt.
Eine der Marktorgeln war ein besonderer Schatz von Erich Knocke: Mit ihr reiste er in die Essener Partnerstadt Grenoble, um Essen zu repräsentieren.
Karussell, Karusselfiguren, Selbstfahrautos, Schießscheiben – es gibt viel zu sehen. Umso besser, dass Brigitte Aust und Andrea Stadler die Exponate bestens kennen und die Besucher auch über deren geschichtliche Hintergründe aufklären. Ich wusste vorher nicht, dass Karussells ursprünglich dazu dienten, Ritter zu trainieren.
Ergänzt werden die Stücke durch Schaustellerfahrzeuge, einen wunderschönen und komplett eingerichteten Schaustellerwagen und eine Sammlung der „Schausteller-Werkzeuge“.
Auch die Themen Photographie und Film finden ihren Platz in der Sammlung, es können Guckkästen, Laterna Magicas und Filmprojektoren bestaunt werden. Wie wichtig der Jahrmarkt für die Entwicklung des Films war, erklärt uns Frau Aust: Zunächst wurden Filme in Jahrmarktbuden vorgeführt, Kinos wurden erst später eingerichtet.
Am Ende des Rundgangs begegnet uns noch einmal Erich Knocke – in Form von Kokosnüssen. Die hat er nämlich nach dem zweiten Weltkrieg „frisch aus Afrika“ auf Jahrmärkten verkauft. Und die Kokosköpfe, die den Lieferungen beigelegt waren, zieren nun den Keller des Museum.
Für Forschungszwecke zugänglich ist die graphische Sammlung des Museum mit rund 5.000 Stücken sowie die Bibliothek des Museum.
So sehr im Markt- und Schaustellermuseum auch Kindheitserinnerungen geweckt werden: Für Kinder ist die Führung nichts. Nicht nur, weil es eben um die Geschichte der Schaustellerei geht, sondern auch, weil die Exponate Museumsstücke sind – anfassen ist nicht erwünscht. Für Kinder eignet sich eher der Historische Jahrmarkt.
Erwachsene, die etwas über die Hintergrunde erfahren möchten, sollten sich für eine Führung im Museum hier anmelden.
Markt- und Schaustellermuseum, Hachestraße 68, 45127 Essen
http://www.schaustellermuseum.de/