Meine Mütter machen Essig

Ich habe mehrere Mütter. Eine davon hat mich auf die Welt gebracht, die anderen schwammen plötzlich in meinem selbstgemachten Apfelsaft.

Erst habe ich vermutet, dass mein Apfelsaft anfängt zu gelieren. Woher sollten diese geleeartigen Knubbel sonst herkommen? Dann habe ich den Apfelsaft vergessen. Das kann passieren, wenn man einen Kühlschrank eigens für Getränke hat, ihn eher zielgerichtet öffnet und sich außerdem auf Hochzeitsreise befindet.

Nachdem er mir dann mal wieder über den Weg „gelaufen“ ist, habe ich die Recherche begonnen, was da nun im Apfelsaft ist. „Knubbel Apfelsaft“ brachte nicht wirklich überzeugende Ergebnisse, aber mir kam plötzlich „Essigmutter“ in den Sinn. Tatsächlich gab es in der Bildersuche ein paar, die wie meine Knubbel aussehen. Und da ich gerne mal experimentiere, wollte ich ausprobieren, ob ich mit meinen Knubbeln Essig machen kann.

Die Recherche ergab: Ich brauche sulfitfreien Wein. Und wenn meine Mütter mal in Rotwein waren, sollen sie nicht mehr in Weißwein. Umgekehrt wäre es kein Problem. Also wurden die Knubbel aufgeteilt und im Bioladen nach sulfitfreiem Rotwein geforscht. Das stellte sich als weder einfach noch günstig heraus. Auch mein anfänglicher Enthusiasmus, von nun an sortenreinen Essig herzustellen, für den die Leute mir die Bude einrennen, legte sich. Macht nämlich schon jemand.

Der Wein wurde mit Wasser auf unter 10 % Alkoholgehalt gestreckt und in ein Weckglas gefüllt. So bekommt man die Mutter hinterher gut wieder raus, Gefässe mit schmalem Hals bieten sich nicht an. In den Wasserwein schupste ich zwei Mütter mit dem Wunsch, bald lecker Essig zu haben. Um Bakterien keine Chance zu geben, habe ich mit einem Gummi ein Küchentuch über das Glas gespannt.

Und nun wohin mit der rotbraunen Brühe? Die Mütter mögen es warm, wenn sie ihre Arbeit verrichten sollen. Nun ist es aber Winter. Und in der Küche stellen wir die Heizung nicht an. Im Wohnzimmer wollte ich aber kein Weckglas mit Wein stehen haben – sieht nicht schön aus und fängt irgendwann an, klebstoffartig zu riechen (wenn alles richtig läuft). Also kam das Glas ins Badezimmer. Da störte es aber irgendwann, weshalb es doch in der Küche landete. Die eigentlich zu kühl war.

Beim Gebrauch eines Apfelessigs teilte der Mann mir mit, dass der wohl schlecht ist. Da wäre so Glibber drin. Ich war begeistert: Noch mehr Mutterstoff. Also wurde der Glibber rausgefiltert und zu den Knubbeln in den Wein getan. Die Knubbel hatten nämlich offensichtlich keine Lust schwer zu arbeiten, auch nach sechs Wochen war der Wein noch ziemlich viel Wein.

Da das Glas auf der Fensterbank nicht störte, habe ich es nicht weiter beachtet. Bis kurz nach Weihnachten, als ich es wegkippen wollte. Weil das doch eh nicht klappt. Und tatsächlich sah es nicht sehr delikat aus. Oben eine schwabbelige Schicht – die Mütter hatten eine neue Mutter gemacht. Der Wein war wirklich zu Essig geworden!

Den frischen Essig habe ich durch einen Kaffeefilter abgegossen und die Mütter zur Erholung in frischen Essig gelegt. Mein eigener Essig muss nun noch ein wenig ruhen, bevor er portionsweise abgefüllt wird. Ich bin gespannt!

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