Philipp Meyer: Der erste Sohn

170 Jahre Familiengeschichte oder: Die Historie Texas am Beispiel der Familie McCollough.

Worum es geht

Erzählt wird die ereignisreiche Geschichte, in der es an Indianern, Mexikanern und Siedlern nicht mangelt, am Beispiel von Vertretern der Familie McCullogh aus drei Generationen. Der Grundstein für den Familienreichtum wurde von Eli McCullogh gelegt, auch wenn es in seinen jungen Jahren nicht danach aussah: Seine Familie wurde von Indianern überfallen und seine Mutter und seine Geschwister getötet. Er selber wurde entführt und verbrachte drei Jahre bei den Indianern.

Sein Sohn Peter ist das klare Gegenteil seines Vaters und leidet vor allem unter seiner Ehe und dem Massaker, was seine Familie an den mexikanischen Nachbarn verübt hat.

Jeanne Anne, die Enkelin Peters schlägt dagegen wieder ganz nach ihrem Urgroßvater: Sie wird jung für Farm und Öl zuständig und führt erfolgreich ein Imperium.

Wie es gefällt

Neugierig wurde ich auf das Buch vor allem, weil es als „Epos“, der „in die Literaturgeschichte eingehen“ wird gepriesen wurde. Tatsächlich handelt es sich um einen hervorragend recherchierten dicken Schinken, ob es um Siedlungsgeschichte geht oder um Sitten und Gebräuche der Indianer – man lernt viel dazu. Vieles möchte man vielleicht nicht unbedingt lernen, an der einen oder anderen Stelle hat sich mir durchaus der Magen umgedreht. Trotz der Schilderung aus der Perspektive der Familie McCollough wird nicht wirklich Partei ergriffen, sowohl Mexikaner, Indianer als auch Weiße haben gestohlen, gemordet und vergewaltigt und ihnen wurde das selbe angetan. Die Geschichte der Sklaven dagegen wird nur weitläufig gestreift.

So interessant das Buch oft ist, hat es dennoch Längen. Jeanne Ann liegt gefühlt Jahre ihres Lebens auf dem Boden herum und fragt sich, was passiert ist und Peter schwadroniert in seinem Tagebuch ziemlich herum.

Mehr als einmal musste ich zu dem (glücklicherweise vorhandenen) Stammbaum blättern, weil durch die verschiedenen Zeitebenen der Erzählung einiges durcheinander gerät. Dazu kommt ein verwirrendes Ende, sehr offen, neue Personen …

Durchaus ein interessantes Buch – von einem „gewaltigen Panorama“ würde ich jedoch nicht sprechen. Und ob es in die Literaturgeschichte eingeht, wird sich in 20 bis 50 Jahren zeigen.

Bonusmaterial

Warum heißt das Buch eigentlich „Der erste Sohn“? Ich habe lange gegrübelt und den Stammbaum der Familie zu Rate gezogen. Vielleicht weil alle ersten Söhne früh versterben? Ich weiß es nicht. Im Englischen heißt es „The Son“.

Philipp Meyer (Hans M. Herzog): Der erste Sohn*
Albrecht Knaus Verlag
24,99 Euro (gebundene Ausgabe)

Dieses Buch wurde mir vom Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Auf den Inhalt dieser Rezension hat der Verlag und/oder der Autor dieses Buches keinen Einfluss genommen.

*Affiliate Link, gibt es aber auch beispielsweise bei Proust in Essen

4 Gedanken zu „Philipp Meyer: Der erste Sohn

  1. Nessy

    Die Zeitebenen haben mich auch kirre gemacht. Ich hab’s nicht durchblickt. Vielleicht war ich auch nicht in der Lesesituation für diesen Roman, wie dem auch sei: Es ist nicht gut konstruiert. Zudem fand ich den Stoff nicht gut rübergebracht. „So interessant das Buch oft ist, hat es dennoch Längen“ – das ist wirklich wohlwollend.

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    1. Sandra Beitragsautor

      Nachdem ich nach einem Drittel des Buches verstanden habe, dass Eli der Colonel ist und wie die Erzähler zeitlich stehen, ging es. Und die Schilderung der Indianer fand ich wirklich sehr interessant. Aber zwischenzeitlich habe ich immer gedacht „200 Seiten weniger hättens auch getan“. Oder nur die Indianersache. Das wäre spannend gewesen.

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  2. Martin

    Danke für die interessante Rezension! Warum das Buch »Der erste Sohn« heißt, kann ich dir sagen. Es wird irgendwo, relativ am Anfang des Buches erklärt. Die Republik Texas wird am 2. März 1836 gegründet. Und das ist auch der Geburtstag von Eli. Er ist also Texas‘ erster Sohn.

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