Wo wir denn gerade wären, fragte der Mann. Tatsächlich sah es nicht so aus, als ob sich am Ende dieser dunklen und teilweise spiegelglatten Straße irgendetwas befinden würde – geschweige denn ein Restaurant mit zwei Sternen und 18 Punkten. Das „Rosin“ liegt tatsächlich nicht gerade zentral in Dorsten-Wulfen. Wer aber die 45 Minuten von Essen auf sich genommen hat, wird an der Tür sehr freundlich und mit Handschlag begrüsst.
Begrüssung vom Chef persönlich
Der zweite Handschlag folgt kurz nachdem wir am Tisch Platz genommen haben – Frank Rosin kommt an unseren Tisch, begrüsst uns und fragt, ob wir gut angekommen sind. Zu dem Zeitpunkt etwas irritiert über die Frage erfahren wir später, dass Simone den Tisch „mit Grüßen aus dem Tessin“ reserviert hat. Ganz so weit war die Anreise für uns dann doch nicht.
Schmackofatz 1
Der Begrüßung durch den Chef folgt sehr bald der erste „Schmackofatz“-Gang. Diese Gänge werden von der Küche zusätzlich zu den bestellten gereicht.
Gedämpfte Süßkartoffel mit King Salmon – was unscheinbar aussieht, ist extrem lecker. Simone und ich sind beide keine Lachs-Fans, könnten es aber – bei ausreichender Versorgung mit dieser Art der Zubereitung – vermutlich werden.
Vielfältige Butter
Die Butter kommt in bunten Kügelchen daher, neben Ziegenmilchbutter gibt es auch Tomatenbutter, Blütenbutter, Butter aus Olivenöl und „normale“ Butter. Die Butter ist so toll, dass wir kurz danach einen zweiten Teller gebracht bekommen – der erste ist leergeputzt. Auch der Brotkorb ist nicht zu verachten, ich finde zwar das Croissant ein wenig fehl am Platz, aber die kleinen Laugenzöpfe sehen nicht nur gut aus, sondern schmecken auch so. Der Mann ist angetan vom dunklen Brot.
Bestellung von Gang zu Gang
Schon etwas „angesättigt“ bestellen wir dann. Zunächst nur den ersten Gang, mehr Entscheidungen müssen wir noch nicht treffen. Auch nicht, wie viele Gänge wir essen möchten – alles von Gang zu Gang. Dass wir trotzdem nicht lange auf die Gänge warten müssen, ist der Küche hoch anzurechnen. Dazu kommt, dass viele der Gänge eine enorme Vorbereitungszeit haben, zum Beispiel 48 Stunden gedämpft werden – da kann nicht mal schnell nachproduziert werden.
Susanne Spies, 2004 als Sommeliere des Jahres vom Gault Millau ausgezeichnet, schlägt uns eine Weinreise, passend zu den von uns gewählten Gängen, vor. Leider habe ich die einzelnen Weine nicht behalten, jeder passte jedoch wunderbar zu dem jeweiligen Gericht.
Schmackofatz 2
Rote Bete mit Sellerie und brauner Butter
Die Vorspeisen
Halbgeräucherter Hummer und Jakobsmuschel mit Erbsen und warme gelierte Tomaten – nicht zu vergessen eine kleine Salsa und das Corail der Muschel im Tempurateig.
Sous vide gegarter Ferkelbauch mit Açorda und Peperonata – Acorda ist eigentlich eine portugiesische Brotsuppe, die Rosin im Urlaub kennen gelernt hat. Bei ihm kommt sie etwas feiner auf den Tisch.
Die Tafel Schokolade von Kaffee Foie Gras mit Hibiskusblüte und kalter Kalbsjus mit Trüffel war unsere zweite Vorspeise. Sehr weihnachtlich kam die versilberte „Schokoladentafel“ daher, dazu passten aber wieder sehr gut die herben Cranberries. Lecker auch das Früchtebrot (ganz rechts).
Die Hauptgerichte
Hirschkalb mit Ingwerkürbis, Rosenkohl und Zwergorangen – Kalb, das auf der Zunge zergeht und Kürbis, der mir schmeckt. Besser geht es nicht. Dazu wieder eine tolle Präsentation, auch wenn die Teller für den Service eher eine Qual sind. (Zum Essen dürften sie für kleinere Menschen auch problematisch sein, man muss die Arme schon ziemlich hoch nehmen.)
Pauillac Lamm mit Anis und Steinpilzgraupen – leider gibt es aufgrund des Lichts kein scharfes Foto…
Schmackofatz 3
Zweierlei Espuma von Tonic Water mit Himbeeren und Brombeeren – ich mochte es, besonders die Kombination Espuma – Geleewürfel.
Das Dessert
Der Mann streikte, wir Mädels hielten tapfer durch – ein Dessert musste sein, obwohl wir nach drei Gängen eigentlich schon rollen konnten.
Fürst-Pückler-Eis von Kombuchakirschen, salziger Vanille und Manjari-Schokolade – ein hervorragender Abschluss.
Schmackofatz 4
Pralinen mit den korrespondierenden Obstbränden der Brennerei Reisetbauer – auch für Obstbrand-Banausen wie mich zu empfehlen, da die Pralinen nur parfümiert sind. Außerdem gibt es eine Autofahrerpraline.
Wenn es an dem ganzen Abend überhaupt einen Kritikpunkt gegeben hat, dann, dass wir vier Pralinen für drei Personen hatten. Da wir aber alle drei gönnen können (und sowieso nichts mehr in den Magen gepasst hätte), durfte ich die vierte Praline in meiner Handtasche verschwinden lassen und hatte zwei Tage später beim Verzehr eine schöne Erinnerung.
Rundum gelungener Abend
Frank Rosin und sein Team haben es geschafft, dass wir nicht nur den ganzen Abend hervorragend gegessen, sondern uns auch richtig wohl gefühlt haben. Sämtliche Mitarbeiter sind freundlich und vor allem in dem Maße locker, dass man sich nicht unwohl fühlt. Trotzdem wirken sie sehr kompetent – bis hin zu den beiden Auszubildenden, die wir jetzt schon sehr professionell fanden. Maitre Jochen Bauer stellte uns die Speisekarte so vor, dass wir uns fast nicht mehr entscheiden konnten, weil alles so toll klang (und schliesslich ja auch war) und Susanne Spies hatte nicht nur immer den richtigen Tropfen parat, sondern konnte uns auch erklären, warum es der richtige war.
Sicherlich kein günstiger Abend, aber einer, der den Preis wert war, den wir gezahlt haben. Wegen der Atmosphäre, der tollen Produkte und vor allem deswegen, weil ich keines der Gerichte so oder ähnlich zuhause kochen könnte. Wir fangen schon mal an zu sparen – nächstes Jahr im Dezember kommen wir wieder.
„Rosin“, Hervester Str. 18, 46286 Dorsten-Wulfen
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