Manchmal haben der Mann und ich merkwürdige Ideen. Zum Beispiel in Schottland zu heiraten. Oder extra ein B&B im Norden von Skye zu buchen, weil man von dem fußläufig zum „Three Chimneys“ laufen kann. Wie auch immer ich auf „one of Scotland´s most famous restaurants“ gestoßen war, wir wollten uns etwas besonderes gönnen und dort einen Tisch reservieren.
Die „Honeymoon“-Karte zog leider gar nicht, auf meine Email bekam ich die Antwort, dass zu der gewünschten Zeit kein Tisch frei sei. Entweder eine halbe Stunde später oder am Küchentisch. Der Mann war einverstanden, wir buchten den Küchentisch und somit das „Seven courses of Skye“-Menü (150 GBP inkl. Wineflight p.P.). Schliesslich sind wir auf Hochzeitsreise.
Scott spricht deutsch
Nachdem wir wunschgemäß zwei Tage vorher unsere Reservierung noch einmal bestätigt haben und uns eine halbe Stunde vor Menübeginn im Hotelbereich einfanden, wurden wir von Scott empfangen. Er begrüsste uns sehr nett und teilte uns mit, dass Michael „in the house“ ist. Wie schön. Wir vermuten, dass Michael etwas mit der Küche zu tun hat und erfreuen uns erst einmal ein bisschen an dem riesigen Fernrohr und einem sehr leckeren Botanist-Gin mit Tonic. Nach einer Weile bringt uns Scott nach nebenan ins Restaurant und bestätigt, was ich vermutet habe: Er spricht deutsch, weil er lange unter anderem in Berlin gearbeitet hat. „Schöner“ kam ihm auch etwas zu perfekt über die Lippen. Auf dem Weg lernen wir auch unser „Mitesser“ kennen: David von der schottischen Grenze und Kayo mit ihrem Mann Kato aus Tokio.
Wir beziehen den Tisch in der Küche und Scott verlässt uns. Dafür taucht aus allen Ecken Personal inklusive eines William-Doubles als Sommelier auf. Das Menü beginnt mit einem Gruß aus der Küche, Brotvariationen und einer Zwiebelsuppe:
Kaum ist der Gruß verklungen, befindet sich unsere Truppe schon im Gespräch. Kayo und Kato erzählen, dass Japaner für alles Deutsche schwärmen, ich schwärme von „Hello Kitty“, Sushi und anderes zurück. David erklärt den Linkslenkern, wie man durch einen schottischen Kreisverkehr fährt und wie das so mit den Polizisten auf der Insel ist. Kayo hat einen Corgi und ich schocke die Japaner damit, dass man in Deutschland zum Sushi zusätzliches Wasabi isst. Unterbrochen wird die muntere Runde nur durch den Sommelier und das ein oder andere Gericht. Zum Beispiel die Vorspeise – Loch Dunvegan Langoustines with Tattie Scones & Bridget’s Organic Mesclun
Der Zwischengang machte ganz schön Dampf, weil er im Glasgefäß geräuchert wurde (leider im Bild nicht mehr zu sehen) – Colbost Skink, Marag & Talisker Crumb, Local Croft Egg Yolk
Der nächste Gang: Loch Bracadale Crab ‘Flory’ with Green Apple, Nasturtium Truckle
Darauf folgt wahlweise Blackface Haggis Pasty with Anthony´s Neppies oder Austern. Kato nimmt Austern, der Rest Beef. Kato mag nämlich keinen Haggis. Wir beruhigen ihn, dass das den meisten Europäern auch so geht. Wo wir aber so nett plaudern, frage ich nach dieser Geschichte mit den Asiaten und dem Alkohol. Kato bestätigt, dass die meisten Asiaten keinen Alkohol vertragen. Bei Kayo (die einen Wineflight bestellt hat) müssten wir aber keine Angst haben, die käme mit Alkohol klar. Hätten wir das also auch geklärt.
Wir lernen Michael kennen
Michael Smith, pioneering chief/director, begrüsst uns auch. Ein wenig ist ihm der Unmut anzumerken, dass wir uns bisher noch nicht für seine Küche interessiert, sondern rumgequatscht haben. Dabei wussten wir gar nicht, dass wir spazieren dürfen. Man möchte ja nicht zufällig im Suppentopf landen.
Michael fordert uns auf, dass wir ihm beim Anrichten des nächsten Ganges helfen und wirkt dabei nicht unbedingt, als ob er zu Scherzen aufgelegt sei. Kayo und ich folgen ihm lieber in die Küche.
Lust habe ich nicht. Zwar koche ich gerne, aber eher nicht im selben Outfit, wie ich in ein schickes Restaurant gehe. Nocken formen ist auch nicht gerade meine Spezialität. Außerdem ballert mir der Herd von hinten schön Wärme an den Rücken. Als ob mir nicht schon warm genug davon wäre, dass Michael mich anzischt „Faster, faster, it´s a hot dish!“.
Schliesslich ist Sconser King Scallop with „Cabbie Claw“, Bacon, Pepper Dulse auf dem Tisch und ich so geschafft, dass ich esse, ohne zu fotografieren (Das Grüne ist übrigens eine von mir liebevoll geformte Nocke):
Den Männern ergeht es auch nicht besser, sie müssen Pan-Fried Saddle & Slow Cooked Haunch of Lochalsh Venison with Gingerbread, Blaeberries & Crowdie auf die Teller bringen. David kassiert einen Anpfiff, weil er zu viel Soße auf die Teller macht und außerdem sämtliche Blaubeeren auf den ersten beiden Tellern lässt. Kato tritt lieber sofort den Rückzug an und versteckt sich in einer Ecke. Der Mann hält tapfer durch, lässt aber keinen Zweifel an seiner mangelnden Begeisterung.
Trotzdem kommt was Schönes auf den Tisch:
Michael hat erkannt, dass wir uns nicht zur neuen Küchenmannschaft eignen und kocht lieber alleine weiter.
Allerdings sind wir nicht aus der Pflicht entlassen, auch der Nachtisch will schliesslich zubereitet werden. Wer möchte, darf den jungen Herrn, der den ganzen Abend nur Eischnee aufgeschlagen hat, mal ablösen, muss aber nicht sein.
Dem Rest (mir) wird in der Zeit von einer netten Dame erklärt, wie man das Three Chimneys Hot Marmalade Pudding Soufflé with Drambuie Syrup & Mealie Ice Cream zubereitet.
Und so sieht das fertige Souffle aus:
Nach dem Essen möchte Michael wissen, wie es uns gefallen hat und ob wir noch Fragen haben. Keiner fragt was. Also frage ich, was in dem Ragú war. Schokolade, verrrät Michael. Und dann möchte ich noch wissen, warum in der langen Kochbuchreihe auch ein Buch von Sarah Wiener steht. Die wäre im Rahmen einer Fernsehreihe bei ihm gewesen. Weil die Deutschen denken, dass das britische Essen schlecht ist. Aha. (Das ist übrigens die DVD von Sarah Wiener in Großbritannien)
Wir verabschieden uns aus der Küche, verabschieden uns von David, Kayo und Kato und wollen zum B&B laufen. Leider haben wir eines nicht bedacht: Es ist dunkel. Und zwar so dunkel, wie es eben auf dem Land ist, wenn das nächste Haus 1,5 km weit entfernt ist. Stockdunkel. Nicht-die-Hand-vor-Augen-sichtbar-dunkel. Schon nach ein paar Schritten wissen wir: Geht nicht. Da landen wir eher im Graben, den es netterweise neben der Straße gibt. Aber dem Mann fällt das Iphone ein. Und die Taschenlampen-App, die ich vor Monaten installiert habe. Also leuchtet uns das Smartphone den Weg ins Bett.
Nochmal?
Das Essen war von toller Qualität, allerdings bestanden die Gänge (für uns) aus zu vielen einzelnen Komponenten, bei denen ich einfach nicht mehr wusste, wie ich die ganzen Einzelteile kombinieren sollte. Wirklich herausragend war das Souffle, da hätte ich mich reinlegen können. Auch das Wildgericht schmeckte großartig (besonders das Ragú), Ragú, Fleisch, verschiedene Soßen (oder Kompotts?) bildeten in meinen Augen allerdings keine wirklich Einheit. Nur Fleisch und eine Soße wäre perfekt gewesen. Zu viel des Guten ist nicht immer wunderbar. Allerdings scheint das in Schottland üblich zu sein, wir haben dieses Viel-Komponenten-System auch in anderen hochpreisigeren schottischen Restaurants kennengelernt.
Fairerweise muss man zum Mitkochen sagen, dass man sicherlich mehr Spaß daran hätte haben können. Zum Beispiel, wenn man das vorher gewusst hätte und sich entsprechend angezogen hätte. Eine Schürze o.ä. vom Haus wäre sicher auch nett gewesen. Und mal ehrlich: Wenn ich Fan von Michael Smith wäre, fände ich es wahrscheinlich auch großartig.
Der Küchentisch war eine tolle Erfahrung – allerdings nicht wegen der Küche, sondern wegen der fremden Leute, mit denen man zusammen gekommen ist. Wobei man sagen könnte, dass dafür ein Besuch in einem schottischen Pub auch reicht – wir sind bisher immer mit den Leuten vom Nebentisch ins Gespräch gekommen (allerdings waren keine Japaner dabei).
Ich muss trotzdem nicht noch einmal ins Three Chimneys.
Die Entdeckung des Abends war übrigens ein Wein. Ein englischer Wein. Unglaublich, aber wahr:
Wie meistens in Schottland (und trotz eines Sommeliers) zu warm serviert, aber trotzdem fanden wir ihn klasse. Kann den bitte unser örtlicher Weinhandel ins Programm aufnehmen?
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