Willkommen in Essen! (1)

19 Uhr:
Zuhause empfängt mich der Mann mit einem Brief. Die Hausverwaltung hat geschrieben. Nicht etwa, um mitzuteilen, dass demnächst die Risse im Hausflur zumindest notdürftig mit Farbe überpinselt werden. Oder das an vietnamesische Verhältnisse erinnernde Stromkabelwirrwarr im Flur behoben wird. Auch der feuchte, schimmelige und Mäuse beheimatende Keller soll nicht saniert werden. Nein, wiederholte (!) Begehungen hätten ergeben, dass sich in ebendiesem Gemeinschafskeller [sic!] Gegenstände befänden. Eine Aufzählung der vom Mann und mir zur Abholung durch den Sperrmüll zwischengelagerten Gegenstände folgt. Und meiner Sommerreifen. Die habe ich nämlich neben den vorhandenen Dachschindeln und Fliesen deponiert, da ich sie eh in der nächsten Woche aufziehen lasse. Die Gegenstände würden nach dem 27. entfernt, die Kosten auf die Mieter umgelegt.

19:15 Uhr
Ich habe die Fehler im Anschreiben der Hausverwaltung korrigiert, Berufskrankheit.

19:30 Uhr
Der Mann klebt ein Schreiben der Zeitschrift „Living luxuriously“ neben die Haustür. Darin informiert ein zufällig mit dem Mann namensgleicher „Lokalredakteur“ die Hausverwaltung:

Ihr Objekt in der XXstraße 1, 45XXX Essen, haben wir mit Freude begutachtet, die vielen kleinen zeittypischen Details bewundert und Ihre Immobilie bereits für die Short List unseres Wettbewerbes vorgesehen. Herzlichen Glückwunsch.
Leider mussten wir nach Begutachtung des Kellers Unstimmigkeiten im Gesamtbild feststellen, die uns veranlassen, Ihnen mitzuteilen, dass eine Teilnahme am Wettbewerb nicht mehr möglich sein wird.
So fanden wir Möbel, nicht zeittypische Autoersatzteile und andere Gegenstände, die im diametralen Gegensatz zum ansonsten beneidenswert restaurierten Gesamtzustand der von Ihnen betreuten Immobilie standen.“

20:00 Uhr
Ich habe immernoch kein Essen bekommen, der Mann aber einen weiteren Brief verfasst. Jeder Hausbewohner bekommt einen in den Briefkasten:

„…mit Bedauern haben wir feststellen müssen, dass ein Großteil der im Schreiben der Immobilienverwaltung XY erwähnten Gegenstände im Keller umzugsbedingt von uns dort deponiert wurde.
Wir haben bereits vor vier Wochen den Sperrmüll bestellt, der versprochen hat, in der nächsten Woche hier vorbeizukommen.
Für die vorübergehende Störung des Feng-Shui im Keller möchten wir um Ihr nachbarschaftliches Verständnis bitten. Wir sind eigentlich ganz nett.“

21:00 Uhr
Die Opernsängerin aus dem dritten Stock ruft an und ist ob der vielen Briefe verwirrt. Nachdem der Mann sie beruhigt hat, dass WIR keinerlei Kosten umlegen, stellt sie fest, dass man den Keller auch nicht anders als zur Zwischenlagerung von Sperrmüll nutzen kann. Wegen der Feuchtigkeit und der Mäuse. Außerdem versichert sie sich, dass ihr Klavierspiel niemanden stört und regt eine Hausbewohnerparty an. Wir seien ja ganz nett.

To be continued…

 

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