Ry Cooder hat mit „Pull Up Some Dust and Sit Down“ sein bislang politischstes Album vorgelegt, ein gutes Jahr vor den nächsten amerikanischen Präsidentschaftswahlen. In 14 Songs skizziert und karrikiert er den gegenwärtigen Seelenzustand der amerikansichen Gesellschaft und besinnt sich wie selten auf seine musikalischen Tugenden. Zeitweise glaubt man sich an den Beginn seiner Karriere zu erinnern, an „Into the Purple Valley“, „Boomer’s Story“, „Paradise and Lunch“ und „Chicken Skin Music“. Aber es ist mehr als das, keine reine Remineszenz an vergangene Tage. „Pull Up Some Dust and Sit Down“ ist eine Americana-Melange, die es in sich hat: Folk, Blues, Country, Ragtime, Norteno, Jazz, Rhythm and Blues – mal akustisch, mal elektrisch dreckig, mal mit einer 11-köpfigen Band mit Bläsern, mal mit Altmeister Flaco Jiménez am Akkordeon oder Jim Keltner am Schlagwerk. Geigen, Trompeten, alle möglichen Saiteninstrumente von Mandola, Mandoline, Banjo über Bajo Sexto bis Gitarre garnieren den Soundtrack zu einem wahren Ohrenschmaus. Ry Cooder singt und erzählt die von ihm ersonnenen Kurzgeschichten mit einem lachenden und einem weinenden Auge und lässt dabei hin und wieder seine zum Markenzeichen gewordene elektrische Sidegitarre aufblitzen. Nach Vollendung seiner außergewöhnlichen kalifornischen Trilogie „Chavez Ravine“, „My Name is Buddy“ und „I, Flathead“ ersinnt Ry Cooder eine Collage an skurill-komischen und zugleich nachdenklichen Geschichten, die sich um die Finanzkrise von 2007 rankt und bespickt ist mit bitterbösen Kommentaren zur politischen Kultur der USA. So beginnt das durchweg gelungene Spätwerk mit dem fröhlich-anmutenden und zynisch-durchtränkten „No Bankers Left Behind“ in Gestalt eines Marsches, der an die Musik vor dem amerikanischen Bürgerkrieg erinnert und schließt mit dem melancholisch-getragenden „No Hard Feelings“. Jedes einzelne Stück zeichnet sich durch einen besonderen Charakter aus, ob dies „El Corrido de Jesse James“, „Christmas Time This Year“ oder „John Lee Hooker for President“ ist. Cooder beherrscht wie kein Zweiter das Große Einmaleins des Americana und verbindet mühelos das musikalische Erbe eines ganzen Kontinents. Wer Ry Cooder ausschließlich mit dem zweifelsohne gelungenen „Buena Vista Social Club“ in Verbindung bringt, dem sei dringend diese Update empfohlen. Grandios in jeglicher Hinsicht. Auch was die audiophile Vinyl-Ausgabe (2 LPs) angeht, lohnt sich die Anschaffung, die mit einer CD für den Alltaggebrauch daherkommt.
Ry Cooder – No Banker Left Behind (Pull Up Some Sand and Sit Down)