Während in manchen Kreisen Aalto durchaus für Architektur und Design bekannt ist, steht in Essen Aalto für Musik. Fragt man die rund 1.000 Besucher pro Vorstellung, wissen vermutlich die wenigsten, warum das Aalto-Musiktheater überhaupt so heißt.
Ende der 1950er Jahre gewann der finnische Architekt Alvar Aalto einen Ideenwettbewerb für den Bau eines Opernhauses in Essen. In den folgenden Jahren wurde er mehrmals gebeten, den Entwurf zu überarbeiten, die Realisierung erlebte er jedoch nicht mehr mit – das Aalto-Theater wurde von 1983 bis 1988 gebaut, Aalto verstarb 1976. Beaufsichtigt wurde der Bau von Aaltos Witwe, der Architektin Elissa Mäkiniemi, die dafür sorgte, dass auch die kostspieligeren Ideen von Aalto Realität wurden. Noch heute wacht eine Kommission in Finnland darüber, dass niemand das Haus anders gestaltet, als von Aalto vorgesehen.
Mit der Geschichte des Aalto-Theaters ist man eigentlich schon mittendrin in einer der Führungen durch ebendieses. Ein bisschen geht es auch um die Architektur des Hauses. Besonders interessant fand ich nicht nur das Motiv der „Welle“, die sich durch die gesamte Architektur zieht, sondern auch die absichtlich „volksnahe“ Gestaltung des Gebäudes. Die Bewohner des vom Bergbau geprägten Essen sollten nicht in Ehrfurcht vor dem Opernhaus erstarren, daher gibt es zum Beispiel keine große Freitreppe und keine riesigen Türen.
Vom Eingangsbereich geht es ins Foyer und von dort in den Zuschauerraum auf einen der Balkone.
Immer wieder werden wir auf Dinge aufmerksam gemacht, die der „normale“ Besucher sicher nicht weiß. So zum Beispiel, dass auch die gesamte Inneneinrichtung inklusive Lampen und Stühlen von Aalto gestaltet wurde. Dass die Türen mit in Schottland gewebtem Stoff aus mongolischem Rosshaar bespannt sind.
Dass das Theater ursprünglich mit Marmor außen verkleidet werden sollte, was sich aber bei der Finlandia-Halle in Helsinki als nicht besonders vorteilhaft erwiesen hat.
Nach den Bereichen, in die man auch als Besucher kommt, geht es hinter die Kulissen.
Von der Bühne aus fahren wir mit einem deutlich überdimensionierten Aufzug nach oben und können uns die Schreinerei anschauen, in der Kulissen gebaut werden.
Polsterei und Malerei sind aus Platzgründen an die Hafenstraße ausgelagert. Dafür wird im ehemaligen Malsaal nun geprobt, aktuell für „Rusalka“, wo anscheinend viele Badewannen mit Skaterollen zum Einsatz kommen.
Nicht nur Kulissen werden im Theater selber gefertigt, auch ein Teil der Kostüme.
Dafür gibt es eine Damen- und eine Herrenschneiderei und selbstverständlich auch Maskenbildner. Die beschäftigen sich unter anderem mit der Herstellung von Echthaar-Perücken und Bärten, die mit Hilfe eine Kopfabdrucks exakt auf die Darsteller angepasst werden.
Während der Führung wurden viele Fragen beantwortet, zum Beispiel, wie das Soufflieren funktioniert, wie Kunstblut schmeckt und wie lange es dauert, bis ein Stück auf die Bühne gebracht wird und was dafür nötig ist.
Die Führung durch das Aalto-Theater wird regelmäßig angeboten, dauert ca. zwei Stunden und eine Vorbestellung der Tickets empfiehlt sich insbesondere für die Samstags-Termine. Für (Nur-) Architekturbegeisterte gibt es auch eine Kurzführung.
Für Kinder ist die Führung nur bedingt geeignet, wie der einzige junge Besucher in unserer Gruppe deutlich zu verstehen gab („Mir ist langweilig!“). Wenn ich es richtig verstanden habe, werden aber auch Schulklassen-Führungen angeboten.
In Berlin kann man zum Beispiel hinter die Kulissen der Komischen Oper schauen – auch sehr interessant!
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Tolle Einblicke, vielen Dank!
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